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Wort, Gesang, Klang

Source:  Germania, nr3, p.16-17, 1972
Author: F. Fricke

Wort, Gesang, Klang

POPOL VUH

POPOL VUH "ist das heilige Buch der Quiche-Indianer. “Popol" bedeutet etwa, “Vereinigung, Leute, Gefäß". “Vuh" ist ein Göttername, ein magisches Wort; es drückt aus: herabstoßende Fruchtbarkeit, Licht, Sonne, brennende Eichel, Ihre 2. LP ist gerade erschienen.

Wort, Gesang, Klang…  als Rückweg zu Gott, als heilkraft, als Verführung und als Gewalt. Von Florian Fricke

... als Rückweg zu Gott

In der Dreiprinzipienarchitektur der tibetischen Kosmogonie, - bei der die höchste Stufe die achte ist, da die Null als Repräsentanz des Vorweltlichen, Ungeborenen mitgezählt wird - wird der Gehörsinn als eine Manifestation der achten Stufe, der Stufe des geistigen Prinzips (Chi oder Luft) verstanden. Zu dieser achten, "göttlichen" Stufe, Menschlichem gewöhnlich unerreichbar, erhebt sich der Mensch mit Hilfe des Wortes, des Gesanges oder der Hingabe an den inneren Klang, an Gottes Ohr, OM.

Das Wort, das ist der Machtaspekt. Der Gesang, das ist der Liebesaspekt, Hingabe an den inneren Klang, das ist der direkte Weg zu Gott.

Das Ohr ist ein weibliches Organ "in den Ohren wohnen die Göttinnen der Raumrichtungen, der Walterinnen des Elementes Raum, das in der Ohrmuschel des Ohres sich als Schall einfängt, " (Avur-veda 111, 8). Das Ohr ist der Mutterschoß dieses Schalls, der eindringt und alsbald den "Geist färbt'', wie es in einem indischen Sprichwort heißt. So über Wort, Gesang, Klang zeugen den Einfluß auf die Stimmung des Menschen aus, sie vermögen zu verwandeln. In der vollkommensten Weise, dem religiösen Ritual zugeordnet, führen Wort, Gesang, Klang den Menschen in die Nähe Gottes.

 … als Heilkraft

Ein Mysterium, dem wir uns langsam, noch im Dunkeln tappend, heute wieder nähern: die psychische Heilkraft von Wort, Gesang, Klang - früheren Jahrhunderten wohl bekannt. Ein Beispiel: Der Geist aber des Herrn wich von Saul und ein böser Geist vorn Herrn machte ihn unruhig; da sprachen die Knechte Sauls zu ihm: Siehe, ein böser Geist von Gott macht dich sehr unruhig; unser Herr sage seinen Knechten, die vor ihm stehen, daß sie einen Mann suchen, der auf der Harfe wohl spielen könne, auf daß, wenn der böse Geist Gottes über dich kommt, er rnit seiner Hand spielt, daß es besser mit dir werde." (Buch Samuel 16, 14) Wie bekannt, wurde der spätere König David zu diesem Zweck geholt. Wie erfolgreich seine Bemühungen waren, erzählt das Ende des 15. Kapitels des Buches Samuel (diesmal nicht wie oben die lutherische sondern die herrliche Übersetzung von Martin Buber): "Und so wars nun: wann das Gottesgeisten auf Schaul war, nahm David die Leier und spielte mit seiner Hand, da wurde es Schaul wie-der geistgeräumig, ihm wurde wohl, das böse Geisten wich von ihm hinweg.”

Dies wäre nun die vornehmste Wirkungsweise der Musik: als heilende Kraft. Es ist keine Utopie mehr, sich vorzustellen, daß die Zusammenhänge zwischen Tonhöhe, Intervall, Klangstruktur, Rhythmus und Kosmos, Mensch andererseits schon innerhalb der nächsten zehn, zwanzig Jahre im Westen strukturell erforscht sein könnte. Indien besitzt seit Jahrtausenden einen gewaltigen Fundus an Analogien zwischen Musik und Natur, Musik und menschlichem Körper, Musik und unserem Planetensystem; es besitzt in der formalen Gestaltung zum Beispiel einer Raga den dramaturgischen Schlüssel zu dem Mysterium des Eindringens der Musik in den Geist. Wenn es uns gelingen sollte, die neu zu findenden Erkenntnisse über Musik, Klang überdies auch innerlich zu erleben - das Morgenland hat in diesem Punkt eine unendlich lange und großartige Kultur, wir stehen noch davor - dann wären wir wieder in der Lage, Musik heilend anzuwenden.

Für Musiker eine kleine, interessante Aufstellung (nach der indischen modalen Musiklehre):

Grundton     = Seele

Sekunde       = Kopf  

Terz             = Arme

Quart           = Brust

Quinte         = Hals

Sext            = Hüften

Sept            = Füße

Versucht man beim Spielen sich gleichzeitig mit dem angeschlagenen Ton auch den entsprechenden Körperteil vorzustellen, so gerät man sehr bald - vorausgesetzt, die Musik ist rein und tonal - in eine enorme Schwingung und körperliche Identität mit dem Ton, was diesem eine große Überzeugungkraft verleiht.

 ...als Verführung

Die "betörende" Wirkungsweise von Wort, Gesang, Klang, das Sinnenverwirrende des Schalls kennen wir, auch über das Beispiel des Rattenfängers von Hameln hinaus, nur allzu gut. Wir sind umgeben davon: Wort als Verführung, Gesang als Verführung - seit einiger Zeit, durch das Aufkommen der Elektronik - äußerer Klang als Verführung. Ist es nicht abscheulich, wie es ausgerechnet die Gier des Menschen verstanden hat, zu ihrer eigenen Befriedigung instinktiv zu den Geheimnissen des Schalls', zur Suggestivkraft von Wort, Gesang, Klang vorzudringen? Diese Gier, gigantisch repräsentiert durch das 'kapitalistische System, in ihrer widerlichsten Erscheinung der Konsumwerbung: hier wird Wort und Musik zum Zweck der Verführung mit dem Bild verschmolzen, oft in diabolisch zynischer Form. Nahrungsmittel, die, wie man heute weiß zu einem früheren Tod führen, werden angeboten mit "beschwingender" Musik. Bei der Werbung für Tabakmittel oder Chemiedrogen sorgt Musik ebenfalls für frohlockende Stimmung. Musik wird da als Schleier vor der unterscheidenden Vernunft aufgezogen. Es ist dies tödliche Verführung, eine Mißachtung des Menschen, (Da Geruch weniger nachweisbar, weniger laut, heimlicher ist, ist die Industrie dazu übergegangen die Beeinflussung des potentiellen Konsumenten mittels Duft vorzubereiten. Die Osmologie, "Wissenschaft der Düfte'", ist auch weit besser in unsere Zeit hineingekommen, als das Wissen um die psychische Kraft des Wortes, Gesangs, Klanges.

Daß ein Großteil der amerikanischen, englischen Popmusik ebenfalls in diesem finsteren Bereich, wo Musik als Verführung und im Zusammenhang mit Verführung auftritt, zu suchen sein könnte, - dies behaupten wir nicht, dies bedenken wir. Denn allein die Lautstärke einer Gruppe wie Deep Purple ist vernichtend; sie bestätigt die Aggression da, wo sie gerade schon schwinden will. In einer neuen Generation. Bei uns.

...und als Gewalt

Altamont, Rolling Stories. Jericho: wer an der Glaubwürdigkeit der im Buch Josua beschriebenen Einnahme Jerichos zweifelt, der mag sich von neuem in das 6. Kapitel dieses Buches vertiefen und ein wahrhaft gigantisches, multornediales Gewaltritual vorfinden, bei dem nicht der Schall der sieben Halbjahresposaunen es war , der, wie man allgemein meint, die Mauern Jerichos erschütterte, sondern die Kraft des ersten Tones aus dem Mund des Volkes, dem Josua vor den Mauern Jerichos ein siebentägiges Schweigen befohlen hatte; man kann sich vorstellen, mit welch psychi scher Kraft, einer Entladung gleich, hier Schall benutzt wurde und wohl auch gewirkt haben muß.

Diese Sammlung von bunten Beispielen ist nicht zum Selbstzweck erfolgt, sie führt zu folgender Schlußbemerkung: Wenn wir erfahren haben, daß hinter dem Medium Wort, der Musik sich ein Bereich unvorstellbarer Kraft und - im negativen Fall - Gewalt verbirgt, dann zwingt und dies, dieses Medium mit einer neuen Ethik in Zusammenhang zu bringen. Wenn wir einmal eingesehen haben, daß man mit Wort, Gesang, Klang töten kann und getötet werden kann - wieso entscheiden wir uns dann nicht für äußerste Vorsicht bei dem, was wir von uns geben, wenn wir uns schon nicht eher dazu bewegen lassen, nur Wohltuendes zur gegenseitigen Förderung über die Lippen kom-men zu lassen. Der ägyptische Geschäftsmann der Pharaonenzeit, vertraut mit der Magie des Wortes, begrüßte seinen Handelspartner vor jedem anderen Wort stets folgendermaßen. Er sagte: "Deine Unternehmungen gedeihen, sie gedeihen, sie gedeihen," Der andere erwiderte den gleichen Satz. Ja, das ist es, was wir meinen, deshalb die vielen Zeilen. Was für das Sprechen gilt, sollte uns für die Musik tausendmal gelten: Laßt uns Musik machen, die uns wohltuend bedenkt, die uns von dem AUSSEN nach INNEN führt. Dort laßt uns gemeinsam sein. Friede und Freude.

POPOL VUH besteht aus

Holger Trülzsch - percussion, drums

Florian Fricke - Moog-Synthesizer, organ, e-piano

Frank Fiedler - Moog-Synthesizer - Mixdown

POPOL VUH

Affenstunde, Liberty LBS 83 4601

In den Gärten Pharaos Pilz, BASF


This article was also inclosed on the compilation album 'Kosmische Musik' (1973).

An english translation is available here: www.eurock.com

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Musik ist für mich eine Form des Gebets

Source: Sounds, nr.49, 1973-03, p.35-37
Author: Rainer Langhans

Musik ist für mich eine Form des Gebets

Popol Vuh, Musikgruppe aus München, verzichtet auf den Moog Synthesizer. Mit dieser Musikmaschine hatte Popol Vuh (als einzige deutsche Popgruppe) zwei Langspielplatten produziert, zuletzt “In den Gärten Pharaos”, und die Musik für Werner Herzogs Spielfilm ‘Aguirre, der Zorn Gottes’ aufgenommen. Auf ihrer neuen Langspielplatte HOSIANNA MANTRA wurden die elektronischen Klänge durch klassische Instrumente wie Oboe, Violine und Fagott ersetzt, die zum Teil von Mitgliedern der Münchener Philharmoniker gespielt wurden. Eine koreanische Sopranistin singt dazu hymnische Lieder in deutscher Sprache.

Seit Jahren bin ich mit Florian Fricke befreundet. Es ist eine von den Freundschaften, die intensiv und in großen Intervallen sich ausdrücken. Man sieht sich gern und dann lange nicht - ohne sich zu verlieren. Ich sah Popol Vuh vor einiger Zeit im Studio bei der Arbeit an der Platte, die jetzt herauskommt - sie waren unansprechbar. Nun - Monate danach holten sie mich, weil jetzt über die Platte gesprochen werden soll. Ich sollte Vermittler spielen, etwas für die Medien schreiben. So ging ich hin und hörte und fühlte die Musik und sah, wo sie stehen.
Florian ist ein hingebungsvoller Musiker und Intellektueller in wechselnder Einheit - Conny Veits mehr praktischer Intellekt wirkt dabei stabilisierend. Es bot sich uns als Methode für große Genauigkeit kein verbales Interview, sondern ein Aufschreiben von Antworten auf Fragen, die als Reibfläche, Startlöcher vorgegeben wurden. Es sollten vor allem einfache, schematische Fragen sein, gängigem Bewußtsein folgend und ohne Einengung vom Frager her - zu deuten und füllen nach Belieben vom Antwortenden. Das ging gut, und die Teilnehmer dieses ‘Gespräches’ waren zufrieden, denn man lernte sich staunend noch einmal ein wenig besser kennen. Vermittlung im Kleinen war es - mediale Information.
Eine der Fragen wurde dabei nicht beantwortet: “Ihr habt einen Ausflug in die im weitesten Sinne östliche Geisteswelt gemacht und seid nun zurückgekehrt. Deutet das auf einen Versuch hin, unsere Hier-und-Jetzt-Situation Bewußter und ohne Ausweichen in Träume anzugehen?
Doch vielleicht ist das folgende Interview eine Antwort als Ganzes - eine zögernd positive.

Wer ist Popol Vuh und wie hat sich die Besetzung der Gruppe verändert?

Florian Fricke: Es sind fast drei Jahre her, da habe ich meinem Vorhaben, eine neue, hymnische Musik zu schaffen, den Namen Popol Vuh gegeben. Zwei Freunde fülhten sich damals vor allem zugehörig” Holger Trülzsch (percussion) und Frank Fiedler (moog synthesizer mix-down). Wir haben zusammen zwei Langspielplatten gemacht, AFFENSTUNDE und IN DEN GARTEN PHARAOS. Holger ist danach eigene Wege gegangen - manchmal spielt er noch bei uns mit. Frank ist weiterhin dabei. Zunächst verwirklicht er jedoch eine eigene musikalische Idee. Er arbeitet jetzt unabhängig von mir am Moog. Die neue Popol Vuh-Formation sieht so aus: Conny Veit (E-Gitare, 12-string), Robert Eliscu (Oboe), Djong Yun (Gesang), Klaus Wiese (Tamboura) und ich. Conny und ich arbeiten seit Frühjahr 1972 zusammen; jetzt, am Ende des Jahres - nach harter Arbeit - sind wir Freunde.  

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Dein Eigener Körper eine Kirche

Die neue Langspielplatte heißt HOSIANNA MANTRA. Deutet das darauf hin, daß ihr euch nun mit abendländischer Kirchenmusik beschäftigt?

Florian Fricke: Schon die LP IN DEN GARTEN PHARAOS ist eine irgendwie sakrale, ergriffene Musik; sie zeigt das noch nicht so deutlich, da die Musik rein instrumental ist und niemand darauf ein religiöses Wort singt. Beim komponieren von HOSIANNA MANTRA bin ich von christlichen Textinhalten ausgegangen. Wir haben lange nach einer geeigneten Sängerin gesucht. Es war ein Wagnis, das ich nur dem Text zuliebe eingegangen bin. Ein Freund aus Berlin hat uns dann eines Tages mit dem koreanischen Mädchen Djong Yun zusammengebracht und wir konnten nach vier Wochen Proben mit ihr ins Studio gehen.
In meinem Selbstverständnis ist HOSIANNA MANTRA sehr christlicher Musik; Kirchenmusik kann man sie nicht nennen, außer du verstehst deinen eigenen Körper als Kirche und die Ohren als ihren Eingang.

Conny Veit: Auch ich nehme Abstand von der Klassifizierung ‘Kirchenmusik’, obwohl ich es durchaus für möglich und angemessen halte, daß HOSIANNA MANTRA als Kirchenmusik Anwendung findet. Eigentlich ging es mir bei der Realisierung dieser Platte um etwas andres. Ich wollte mit meinen mit mir zur Verfügung stehenden Mitteln urchristliches Sein und Fühlen erfassen, um die Richtigkeit elementarer Wahrheiten im christlichen Wort zu vermitteln. Nicht als Prediger, sondern als einer, dem archaische Lebensformen wertvoller und richtiger erscheinen als unsere eigene Jetzt-Kultur.

Wie ist denn eine Musik, die du, Florian, “sehr christlich” nennst?

Florian Fricke: Jede Zeit hat dafür natürlich ein anderes Gefühl. Vielleicht kann man sagen: Christliche Musik ist im Fühlen schmerzlich, im Ausdruck lächelnd - denk an unsere Rose als christliches Symbol - im Gegensatz zur Lotusblume des Ostens. Die Rose hat Dornen auf dem Weg hinauf - und oben thront etwas ganz Wunderbares, die Blüte - Kreuzigung und Auferstehung, Sterben, um geboren zu werden; dieses ist christliches Verständnis, das wir z.B. im Klang der Oboe finden, in der Dornenkrone des Cembalo, auch in der E-Gitarre, so wie Conny sie spielt, jubelnd und klagend zugleich. Unser ‘Kyrie’ kann dir zeigen, was ich unter typisch christlicher Musik verstehe. Man muß es hören.”

Conny Veit: “Für mich ist das sehr einfach zu beantworten. Es ist keine Musik zum Zwecke der Selbstbehauptung. Es ist Musik, die der Selbsthingabe entspringt. Nicht Behauptung des ichhaften Fühlens, sondern Hingabe als das selbstlose Fühlen was für mich notwendig, um diese Musik machen zu Können - und das ist christlich.  

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Sich reinigen, verinnerlichen - ohne Technik

Der Moog Synthesizer, der gerade bei euch eine so große Rolle spielte, kommt nun nicht mehr vor. Warum?

Florian Fricke: Im Zusammenhang mit christlich religiöser Musik möchte ich den Moog Synthesizer nicht verwenden. Das hat mehrere Gründe. Einige davon will ich nennen: Entscheidend für den Wahrheitsgehalt einer Musik könnte sein, wieweit die Art und Weise der Herstellung identisch ist mit dem Inhalt, der am Ende, nach der Abmischung, auf dem fertigen Band ist. Ein Beispiel: Vor kurzem las ich auf einer Plattenhülle, daß eine Berliner Avantgardegruppe bei einer Platte, die eine elektronische Meditation beinhalten soll, eine Peitsche verwendet hat. Das ist doch ein Unding - und der Moog Synthesizer ist letzten Endes auch so eins. Er ist schwarz und äußerlich erschreckend, er ist ein überdifferentziertes, technisches Gebilde, das man z.B. sehr lange einstimmen muß, um in klängliche Bereiche zu gelangen, die nicht kalt sind und nur Technik vermitteln - was ja keinesfalls meine Absicht ist. Musik ist für mich im Laufe der Jahre immer mehr zu einer Form des Gebetes geworden. Man kann wohl mit Elektronik zunächst mehr als mit anderen natürlichen Klängen die Tiefe, das Unbewußte, das Zeitlose des Menschen erreichen - ich weiß das und es hat mich lange fasziniert. Ein schönerer und ehrlicher Weg scheint mir heute zu sein, sich selbst ohne technische Hilfsmittel zu reinigen und zu verinnerlichen und dann mit einfacher, menschlicher Musik diese Räume des Dunkels oder Lichts, den inneren Menschen anzurühren”.  

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Gott ist hier, in unserem Tun, Sprechen, Fühlen

Die gesungenen Texte sind sämtlich auys der Bibel. Welche Beziehung hast du zu ihr?

Florian Fricke: “Ein Freund hat mir vor zwei Jahren die Übersetzung des Alten Testaments von Martin Buber, dem jüdischen Philosophen, geschenkt. Die, wenn ich das so sagen darf, sinnliche, mittelmeerisch-strahlende Sprache, die übersichtliche szenische Ordnung dieser Übersetzung hat mir das Wesen der bilbischen Gestalten sehr nahe gebracht - die Bibel wurde Leben für mich.
Immer wieder las ich das Buch Samuel - war es zu Ende gelesen, dann suchte ich in den Chroniken, den Geschichtsbüchern nach weiteren Angaben über diese Zeit. Ich würde meinen Ansatz beim Lesen damals gar nicht so sehr religiös nennen. Doch mit der Zeit hat sich das, wie’s eben so geht, verfeinert. Textvergleiche mit Luthers Übersetzung haben mir dann nachträglich den hohen geistigen Rang der Lutherschen Sprache und seiner Deutung bewußt gemacht.

Warum diese Auswahl an Texten und was bedeutet die Textstelle “Sehr nahe ist dir das Wort” und “es”, also das Wort “es zu Tun”, und warum war dir diese Textstelle so wichtig, daß du sie ausgesucht hast?

Florian Fricke: “Schon während der Arbeit am ‘Pharao’ komponierte ich an der ‘Segnung’ aus dem 5. Buch Mose. Für mich war es immer ein Liebeslied an meine Frau.
Der Text, der heute auf HOSIANNA MANTRA ‘Nicht hoch im Himmel’ heißt, war damals auch schon bekannt - ich glaubte aber, seine Vertonung wäre zu schwer für mich. Andererseits hat er mich als klare, unmisverständliche Definition vom Religiösen tief beeindrückt. Ich habe das Lied dann doch kurz vor dem Studiotermin komponiert. Der Text erschien mir auch deshalb so wichtig, weil ich wußte, daß eine religiöse Platte heutzutage sicherlich vielen Mißverständnissen ausgesetzt ist - und dieser Text sagt doch klar, daß Religion keine Sache ist außerhalb der Reichweite des Menschen, sondern daß Gott hier ist, hier unten, in unserem Tun, Sprechen und Fühlen. Ja, das ist wichtig zu sagen.
Dies sind die Texte der B-Seite. Die A-Seite ist eine kleine ‘Messe’ von Popol Vuh. Das erste Stück ‘Ah’ ist ein Staunen. Ich habe mit meinem Spiel am Klavier versucht, daß Rückgrat zu berühren, Terzenläufe rauf und runter, und Conny spielt so, als wäre er gerade aus einem tiefen Schlaf erwacht, schaut sich verwundert um und sagt: ‘Das gibt’s ja gar nicht!’
Das anschließende ‘Kyrie’ist ein in gewisser Weise klassisches ‘Kyrie Eleison’ und mehr noch als das erste Stück Vorbereitung für das große zentrale ‘Hosianna Mantra’. Da hatte ich die vor Augen, die dem Jesus auf dem Maultier beim Einzug in Jerusalem zujubeln: ‘Hosianna, Sohn Davids!’ Wenn ich das Stück spiele, dann stehe ich in dieser Schar der Bedürftigen und sage mir: “So jetzt bist du dran”, und dann spiele und singe ich zu dieser, wenn man so will, schäbigsten Krönung aller Zeiten.

Musik ist ein Dienst am Schönen

Will euere Musik Verbindungen schaffen zwischen abendländischen und ösltichen Religionsverostellungen?

Conny Veit: Das hieße, wir wollen eine Verbindung schaffen, die ohnehin besteht. Der in einem religiösen Begriffssystem Verhaftete ist sicherlich nicht in der Lage oder nicht willens, diese Verbindung zu sehen. Der Nicht-Verhaftete, leichtfertigerweise oft der ‘Ungläubige’genannt, ist gezwungen, in den Extrakten der verschiedenen Glaubensbekenntnisse eine religiöse Wahrheit, den Ursprung zu erkennen.

Ist eure Musik eigentlich noch Popmusik, wie ja eure vorigen Platten und das Label, wo sie erschienen, nahelegen?

Conny Veit: Der Begriff Popmusik entspringt dem kommerziellen Bereich, und daher würde ich dich bitten, uns diese Frage in einem Jahr wieder zu Stellen: Vielleicht ist HOSIANNA MANTRA bis dahin Popmusik geworden. Ich halte das für möglich - die Musik ist begreifbar.

Wie verträgt es sich miteinander, Musiker und Komponist geistlicher Musik und Zulieferer der Plattenindustrie zu sein?

Conny Veit: Ich finde es nicht tragisch. Wir liefern keine zerstörerisch wirkende Produkte. Die Plattenindustrie ist für mich eine bloße Vertriebsorganisation, die nichts mit dem Inhalten unserer Musik zu tun hat. Wenn überhaupt Kommerz und Handel, dann Handel mit Waren, die nicht zerstören, weder den Menschen noch seine Umwelt.

Welche Beziehungen gibt es zwischen euer Platte HOSIANNA MANTRA und einer Lebensweise?

Florian Fricke: Da kann ich natürlich nur für mich sprechen. Ich weiß, daß es wichtig ist, daß sich das Produkt nicht wesentlich von der Art und Weise unterscheidet, in der es hergestellt wurde - ich habe das vorher schon gesagt. Selbstverständlich ist HOSIANNA MANTRA schöner, vollkommener, weicher, versunkener als ich selbst es die meiste Zeit bin. Beim machen der Musik aber ist mittlerweile doch wenig individuelles Verhaftetsein, wenig Unschönes dabei. Doch darf man sich nie gleichsetzen mit seinem Produkt, das ja die Konzentration all dessen darstellt, was sonst noch recht im Wirbel begriffen ist. Musik ist mein Mittel, mich der Utopie realistisch zu nähern; sie ist ein Dienst am Schönen und man wird belohnt.

Nicht hoch im Himmel

...Nicht entrückt ist Es Dir
Nicht hoch im Himmel
Hoch im Himmel
Daß Du sagst:
Wer steigt für uns hinauf
Und holt uns. Sieh, nicht überm Meer ist’s
Nicht fern
Daß du sagst:
Wer fährt uns übers Meer hinüber
Und holt uns. Nein,
Sehr nah ist Dir das Wort:
In deinem Mund und
In Deinem Herzen,
Es zu tun.

© Edition Intro

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Popol Vuh - Musik als Form des Gebets

Source: Pop, nr.5, 1973
Author:

Popol Vuh - Musik als Form des Gebets

Tiefes religiöses Empfinden und innere Ruhe musikalisch auszudrücken, ist das Ziel von Florian Fricke. Nach Musikhochschul-Studium und Mitwirkung bei einer Free-Gruppe kam Florian Fricke durch seine kurze Zusammenarbeit mit dem Avantgarde-Musiker und Leiter der Münchner Kammeroper Eberhard Schoener in den Bannkreis des Moog-Synthesizers. Fasziniert von den Möglichkeiten elektronischer Musik gründete Fricke wenig später zusammen mit Frank Fiedler und Holger Trülzsch die experimentelle Formation Popol Vuh. Mit Florian Frickes eigener Moog-Elektronik ging Popol Vuh mit dem ersten Album ‘Affenstunde’ auf eine mystische Reise durch eine gurgelnd-fliessende, fremdartige Tonwelt. Bei der zweiten LP ‘In den Gärten Pharaos’ schien die Zeit zum Stillstand gekommen: gedehnte ätherische Tonschleier wurden überlagert von silbrigen Stimmen und fernöstlichen Trommelklängen.

Vor wenigen Tagen erschien nun die dritte Langspielplatte von Popol Vuh: ‘Hosianna Mantra’. Mit diesem religiösen Titel stellt sich Popol Vuh in neuer Besetzung vor. Conny Veit (Gitarre), Robert Eliscu (Oboe), Klaus Wiese (Tamboura) und die koreanische Sängerin Djong Yun begleiten Florian Fricke, der Piano und Cembalo spielt und bei der Instrumentierung seiner Kompositionen von ‘Hosianna Mantra’ beinahe ganz auf die Synthesizer-Elektronik verzichtete. POP sprach mit Florian Fricke und Conny Veit über das ungewöhnliche Album:

POP: Das Album ‘ Hosianna Mantra' steht in enger Beziehung zu den Überlieferungen der abendländischen Kirchenmusik. Welche Bedeutung hat Religion in der Musik von Popol Vuh?

Florian: Schon unsere LP ‘In den Gärten Pharaos’ trägt musikalisch sehr sakrale Züge, doch das wird bei rein instrumentaler Musik noch nicht so deutlich. Beim Komponieren von ‘Hosianna Mantra’ bin ich von christlichen Textinhalten ausgegangen, und in meinem Selbstverständnis ist ‘Hosianna Mantra’ auch sehr christliche Musik.

Conny: Ich wollte mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln urchristtliches Sein und Fühlen erfassen, um die Richtigkeit elementarer Wahrheiten im christlichen Wort zu vermitteln.

Florian: Jede Zeit hat dafür natürlich ein anderes Gefühl. Vielleicht kann man es so ausdrücken: Christliche Musik ist im Fühlen schmerzlich und im Ausdruck lächelnd, wie die Rose als christliches Symbol. Die Rose hat Dornen auf dem Weg nach oben, und oben thront etwas ganz Wunderbares, die Blüte. Kreuzigung und Auferstehung, Sterben um geboren zu werden, das ist christliches Verständnis - wie auch die E-Gitarre, wie Conny sie spielt: jubelnd und klagend zugleich.

POP: Die gesungenen Texte sind der Bibel entlehnt. Welche Beziehung hat Popol Vuh zum christlichen Glauben?

Florian: Ein Freund hat mir vor einiger Zeit die Übersetzung des alten Testaments von dem jüdischen Philosophen Martin Buber geschenkt. Die sinnliche, strahlende Sprache, die übersichtliche szenische Ordnung dieser Übersetzung hat mir das Wesen der biblischen Gestalten sehr nahe gebracht: die Bibel wurde Leben für mich. Ich würde meinen Ansatz damals, beim Lesen, gar nicht so sehr religiös nennen. Doch mit der Zeit hat sich das verfeinert. Textvergleiche mit Luthers Übersetzung haben mir dann nachträglich den hohen geistigen Rang seiner Sprache und seiner Deutung bewusst gemacht. Text, der auf dem Album ‘Nicht hoch im Himmel’ heisst, ist mir schon länger bekannt. Diese Zeilen erscheinen mir deshalb so wichtig, weil ich weiss, dass eine religiöse Platte heutzutage sicher oft missverstanden wird. Dieser Text sagt aber doch ganz deutlich, dass Gott nicht ausserhalb der Reichweite des Menschen ist: Gott ist hier unten, in unserem Tun, Sprechen und Fühlen. Das ist wichtig auszudrücken.

POP: Der Moog-Synthesizer spielte als schier unerschöpflicher Klanggeber in der Musik von Popol Vuh eine wesentliche Rolle. Warum entstand ‘Hosianna Mantra’ ohne die Moog-Elektronik?

Florian: ‘ Hosianna Mantra’ sollte im Gegensatz zu den beiden vorhergehenden Platten klarer und reiner werden; sollte den Assoziationsraum aus dem Trip-Bereich in den eines sakralen, ergriffenen religiösen Fühlens rücken. Deshalb möchte ich den Moog-Synthesizer im Zusammenhang mit christlich-religiöser Musik nicht verwenden.
Die elektronische Musik ist heute von ihren kommerziellen Verwertern zu sehr in den Bereich des LSD-Wahns gerückt worden. Als ich mit elektronischer Musik anfing, wurde in Deutschland so gut wie nichts von jüngeren Leuten auf diesem Gebiet getan. Danach kam eine wahre Flut an Elektronik im Rahmen der Popmusik oder im Rahmen dessen, was heute so wenig bescheiden ’kosmische Musik’ genannt wird. Da sass ich dann in dem grossen wabernden Trog, der mir so unendlich unsympathisch ist - da ich aus dieser technischen Musik meist nur Kosmos-Angst, nie Verbundenheit mit dem Kosmos heraushören konnte. Man kann wohl mit Elektronik zunächst mehr als mit anderen, natürlichen Klängen die Tiefe, das Unbewusste, das Zeitlose des Menschen erreichen. Das hat mich lange fasziniert. Ein schönerer und ehrlicher Weg scheint mir heute jedoch zu sein, sich selbst ohne technische Hilfsmittel zu reinigen und zu verinnerlichen, und dann mit einfacher, menschlicher Musik diese Räume des Dunkels oder Lichts im Menschen anzurühren.

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'Popol Vuh' In den Garten Pharaos

Bron: Super Sound, nr.14, p.6, 1972
Auteur: F. Ghisellini

'Popol Vuh' - In den Gärten Pharaos

foto sounds 70Die fortschrittlichste, ausgereifteste und vielleicht wichtigste deutsche Plattenproduktion will jedoch bis jetzt nich keine Plattenfirma veröffentlichen. Zu wenig expressiv, zu weit voraus, zu aleatorisch erscheint den bei Deutschlands etablierten Plattenfirmen angestellten

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Drei deutsche Gruppen, die dem deutschen Rock neue Impulse geben könnten

Source: Musik Express, 1973-06
Author: Karl-Heinz Borchert

Drei deutsche Gruppen, die dem deutschen Rock neue Impulse geben könnten

Agitation Free

Bis 1970 spielte die Gruppe mit Lutz Ulbrich (Gitarre), Michael Günther (Bass), Lutz Kramer (Gitarre) und Christoph Franke an den Drums. In dieser Besetzung begannen sie als eine der ersten in Deutschland mit Filmen und einer Lightshow zu arbeiten und zwar schon Mitte 67, als Gruppen wie die Rattles oder die Lords noch die Hitparaden belegten. Doch Agitation Free wollte schon damals mehr als nur die Teeny’s zum tanzen bringen. Sie arbeiteten, wie damals auch Tangerine Dream und Amon Düül, an dem was heute unter dem Begriff ‚Deutsch Rock‘ angeboten und verkauft wird. Diese Bezeichnung umfasst aber alle deutschen Gruppen von Atlantis über Kraan bis hin zu Popol Vuh, und ist daher für keine deutsche Band repräsentativ. Agitation Free versuchte damals und produziert heute eine gelungene Mischung aus ‚eingängigen‘ Rockteilen und einer gehörigen Portion Elektronik. Der Weg dahin war lang und die Einflüsse unterwegs zahlreich. Am meisten profitierten sie an der Zusammenarbeit mit dem Komponisten Thomas Kessler, der ihnen den Zusammenhalt gab und sie die Klänge der Elektronikmaschinen lieben liess. In dieser Zeit organisierten sie auch Multi-Media-Shows und arbeiteten im Rahmen der Gruppe Neue Musik 1 und gaben Konzerte im Super-Szene-Laden ‚Zodiac‘, wo sich damals alles traf was zur Avantgarde gehörte. Den grössten Erfolg ernteten sie zusammen mit dem heutigen Guru Guru Gitarristen Ax Genrich im Berliner Sportpalast. Bevor sich aber bei ihnen ein kommerzieller Erfolg oder gar ein Plattenvertrag zeigte, trennten sie sich Ende 70. Drummer C. Franke wanderte ab und spielt heute bei Tangerine Dream, von Lutz Kramer hörte man nichts mehr. Doch Lutz Ulbrich und Michael Günther suchten neue Leute und fanden sie auch in Jörg Schwenke (Gitarre), Burghard Rausch (Drums) und Michael Hoenig am Synthesizer und an der Zither. Mit den neuen Leuten konnten sie ihre zum Teil experimentellen Ideen fortsetzen und weiterentwickeln. Besonders die beiden Michaels arbeiteten an Elektronik-Klängen, beeinflusst von Kupkovic, Döhl, J. Cage und Ligeti. Die Gruppe wuchs zusammen, gab Elektronik-Kurse für Lehrer und Schüler in Berlin und experimentierte teilweise (2 Mann) mit Leuten von Cluster. Im März kam mit der Einladung des Goethe-Instituts die Wende. Vom 4.-27. April 1972 tourten sie durch den Nahen-Osten im Auftrag des Instituts. Von der Reise zurück ging’s bald danach in ein Berliner Studio um die zahlreichen Eindrücke und Erfahrungen die man während der Reise gesammelt hatte, zu verarbeiten und sie auf Platte zu pressen. Mit dieser LP ‚Malesch‘ erreichte Agitation Free auch die lange ausgebliebene Anerkennung. Der Versuch, die Barrieren zwischen E- und U-Musik einzureissen, wurde gewagt und es sieht so aus als sei er gelungen. Einige Radio- und Fernsehbearbeitungen folgten und die Band wurde langsam populärer.

Brainstorm

Zuerst nannten sie sich Fashion Pink und nur Roland Schaeffer war von der heutigen Besetzung mit von der Partie. Die zwei anderen Pink Musiker werden heute schon garnicht mehr genannt. Ende 1968 lösten sie sich dann auch auf und Roland schaute sich nach neuen Musikern um. Joachim Koinzer (Drums und Klavier) und Eddy von Overheidt (Orgel, Klavier und Gitarre) schienen seinen musikalischen Vorstellungen zu entsprechen und man begann die Musik zu erneuern und gleichzeitig auch den Namen in Brainstorm zu ändern. Roland der neben verschiedenen Saxophonen und Flöten noch Schlagzeug und Gitarre spielt übernahm von Anfang an das musikalische Konzept und komponierte den Löwenanteil der Stücke. Aber auch die anderen beiden waren nicht untätig und so entstand eine sehr gelungene Synthese aus Jazz-Klängen und Rockharmonien. Doch vorerst zeigte sich keinerlei Erfolg. Die Gruppe war eine unter vielen, die in dieser Zeit (69/70) nur so aus dem Boden schossen. Mitte 70 wurde man sich einig einen vierten Man dazuzunehmen, der Rainer Bodensohn hiess und den Bass sowie Flöten bediente. Der Stil wurde abgerundeter und der Sound dichter. Das Glück liess aber immer noch auf sich warten, bis dann endlich Mitte 72 ein Plattenvertrag unterschrieben werden konnte. Mit diesem Debut-Album ‚Smile a while‘ (Longplaylook 2/73) schaffte es Brainstorm, einen festen Sockel unter die zukünftige Karriere zu bauen, der ihr viele gute Kritiken einbrachte. Nun stieg auch die Popularität und es schlossen sich Fernsehaufnahmen an. Aufnahmen für das WDR-Jugendmagazin ‚Rhinozeros‘, Produktion einer Südwestfunk-Sendereihe ‚Probleme‘ und eine Filmmelodie für die WDR Kindersendung ‚mit der Maus‘ waren darunter. Vor kurzer Zeit erst nahmen sie auch noch einen fünften Musiker hinzu, der sich dem Bass zu widmen hat, damit Rainer sich wieder vermehrt um seine Flöte kümmern kann. Enno Dernov dürfte damit die letzten Lücken der Musik schliessen. Im Moment ist Brainstorm mit ihrer zweiten LP beschäftigt, während die erste kurz zuvor in England auf den Markt kam. Zur Einführung der Platte in England ist in den nächsten Monaten eine Promotion-Tour durch englische Colleges geplant.

Popol Vuh

Popol Vuh unterscheidet sich etwas von den vorherigen zwei Gruppen. Sie haben nicht nur eine, sondern schon 3 LP’s auf dem Markt, ausserdem sind sie um einige Grade bekannter als Brainstorm und Agitation Free. Mit ihrer ersten Produktion ‚Affenstunde‘ erreichten sie es, dass der Moog-Synthesizer in aller Munde war. Sie machten dieses Monster-Instrument in Deutschland populär und man freundete sich mit einem Klang an, der einige Millionen verschiedene Töne einschliesst. Für Popol Vuh war es damals der wichtigste Klangkörper in ihrer Musik und Florian Fricke, der dieses Instrument sowie Orgel und Piano spielt, meinte dazu: „Für uns ist der Moog die Möglichkeit, Klänge zu erzeugen, die wir noch nie gehört, nur geahnt haben – wir haben sie in uns getragen“. Der Name Popol Vuh wurde einem gleichnamigen Buch entlehnt, dass über die Quiche-Indianer berichtet, und nichts heisst, aber alles bedeutet. Domizil der Gruppe war ein Pfarrhof in Peterskirchen bei Wasserburg und hier entstanden auch die Klänge der ‚Affenstunde‘. Unterstützt wurde Florian Fricke, Gründer und geistiger Vater von Popol Vuh, von Holger Trülzsch (Bongos, Percussion) und Frank Fiedler am Mischpult und ebenfalls am Moog. Florian studierte seit seinem 14. Lebensjahr an der Freiburger Musikhochschule, verliess sie aber mit 19 Jahren „um zu leben“ wie er meinte. Im Alter von 25, nach vielen Erfahrungen und Erkenntnissen, einem Free-Gastspiel und der Begegnung mit dem Elektroniker und Kammeroperchef Eberhard Schoener, wollte er diese Erfahrungen und sein Wissen weitervermitteln und besorgte sich aus diesem Grunde einen Synthesizer. Den Rest kann man sich sparen – Popol Vuh war geboren! Nach dieser Debut-Platte wechselten sie die Plattenfirma und nahmen ihre 2. LP auf: ‚In der Gärten Pharaos‘! Eine der Grundvoraussetzungen dieser Musik war, dass jeder beteiligte Musiker sich während des Spielens glücklich fühlte. Während auf der einen Seite nach wie vor der Moog dominierte, wird auf der Rückseite mit einer Kirchenorgel als Hauptbestandteil gearbeitet. In dieser Zeit hatten die drei auch einen Auftritt im heute schon fast legendären ‚Beat-Club‘ und ein Portrait in der Sendung ‚Popmusik in Deutschland‘. Die Bekanntheit wuchs und Anfang 73 überraschte Florian Fricke alle Anhänger und Kritiker mit der Nachricht, er werde jetzt keinen Moog mehr in seiner Musik verwenden! Mit vielen Vorschusslorbeeren erschien dann vor kurzer Zeit die dritte und bisher schönste Platte mit dem religiösen Titel ‚Hosianna Mantra‘. Wie versprochen hörte man nicht das geringste Moog-Geräusch in den einzelnen Stücken. Wie nach dem Titel zu vermuten war, enthielt die LP religiöse Texte und war unheimlich ruhig und weich und zart was die Musik angeht. Florian heute: „Musik ist für mich im Laufe der Zeit immer mehr zu einer Form des Gebetes geworden, und dazu ist der Moog nicht besonders geeignet.“ Schon bei den ‚Gärten Pharaos‘ bemerkte man die Wandlung des Gedankengutes und es war ein logischer Schritt bis zur heutigen Auffassung über Glaubens- und Religionsfragen, die in der jetzigen Musik verarbeitet werden. Bevor Popol Vuh sich an die Produktion von ‚Hosianna Mantra‘ machte, nahmen sie die Spielfilmmusik von Werner Herzogs ‚Aguirre, der Zorn Gottes‘ auf, der viel Lob einbrachte und der Gruppe zu weiterer Popularität verhalf. Heute, nachdem sich Florian von seinen beiden alten Musikern gelöst hat, begleiten Oboe, Klavier und Violine seine Wege. Mit dem Ex-Gila Gitarristen Conny Veit bildet er eine Einheit, die eine Musik zaubert der man die reine Geisteshaltung der Mitspieler sofort anmerkt. Conny ist nicht mehr aus dem Stil wegzudenken mit seiner Gitarre, die sich unfassbar einfühlsam und anmutig an dem Klavier Florians emporwindet und mit ihm zusammen einen Stil bildet, der wahrscheinlich einmalig in seiner Art ist. ‚Hosianna Mantra‘ ist eine der schönsten und ergreifensten Platten überhaupt.

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