Source: Sounds, 1971-01-25
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Popol Vuh - Selbstbildnis einer deutschen Gruppe
Popol Vuh ist eine Gruppe von Menschen, die Musik macht: keine Musikgruppe.
Popol Vuh ist eine Gruppe von Menschen, die zusammen leben und die meiste Zeit damit verbringen, Musik zu machen.
Wir verstehen uns nicht als Musiker, sondern als Menschen, deren Entscheidung es war, das was sie fühlen und das was sie fühlen läßt, in Musik zu sagen. Der Glaube an Vermittlung und Kommunikation ist unser Glaube an Musik. Die Musik, die wir machen, entsteht aus der Rückerinnerung, in die wir mutwillig, mit dem Wunsch zu erfahren, eintreten.
Wir lernen, unsere Phantasie zu begreifen, wir ergreifen sie, wir leben sie. Unsere Musik und ihre Wandlung werden diesen Weg vermitteln: Das traumatische Leben, die unbewußten Räume. So hat unsere Musik zwangsläufig mehr Bezug zu der Musik der Urvölker, - ohne sich an sie anzulehnen. Wir sind dabei, unseren eigenen Weg einer Meditationsform zu finden, die aus unserem Kulturbereich kommt. Wir begegnen dem Unbewußten mit unserem Bewußtsein, wir fallen aus der Zeit und dehnen diesen Augenblick.
Die Gruppe lebt in Peterskirchen, bei Wasserburg, in einem alten Pfarrhof. Dieser Pfarrhof ist inzwischen zu einer Siedlung kreativer Menschen geworden.
Wir machen in der Mitte des Hofes Musik. Mit der Zeit entsteht dort ein Klangraum wie in einem Ei auf den Bildern von Hyronymus Bosch.
Der MOOG SYNTHESIZER ermöglicht es, jeden auch nur gedachten Klang zu erzeugen. Darin liegt zunächst auch eine Gefahr: In dem, in seiner Vermittlung noch unerforschtem Medium - Musik - ist die MOOG Maschine ein unglaublich perfektes Instrument zur psychischen Beeinflussung, denn die Vorgänge sind direkt: Ein gepreßter Klang vermittelt gepreßte Gefühle, ein offener Klang die Möglichkeit zu entspannen, einen kreativen Frieden zu finden.
Wir arbeiten - in unserem Verständnis - nicht mit Tönen, sondern mit dem gesamten Tongebäude der Obertonreihe. So ist der konkrete Ton nie in seinem Raum begrenzt, er verhält sich zu ihm, wie das Bewußtsein zum Unterbewußtsein, er agiert in ihm, wie der Kreismittelpunkt im Kreis. Wir versuchen nicht, Schwingungen zu erzeugen, die sich aus einem musikalischen Produkt ergeben, wir arbeiten schon mit Schwingungen als Ausgangsmaterial. Diese Musik vermittelt sich unmittelbarer als irgendeine andere Musik zuvor: Die Schwingungen treffen linear beim Hörer auf.
Wir sehen in dem MOOG Synthesizer eine der wesentlichen großen, geistigen Zusammenfassungen unserer Zeit. Der elektronische Ton ist eine Nachbildung einer umfassenden Erfahrung. Der Synthesizer kann jeden Ton herstellen und verfügt somit über die Summe Aller Erfahrungen. Dadurch stellt die Maschine an uns die Herausforderung, einen totalen Weg zu gehen. Wir zeigen mit unserer Musik, daß Elektronik nicht allein als technischer Vorgang spürbar ist, sondern sich als ein großes Feld an Empfindungsmöglichkeiten darstellt. Technik kann in der Verbindung mit Phantasie eine neue Form eingehen, die man vielleicht als Spiegel unserer eigenen Erfahrung sehen kann.
Die einzelnen technischen Bestandteile des Gerätes vermögen nicht, außer auf Technik hinzuwiesen. Die Verbindung der Einzelteile kann zu dem Sprung führen, der über Technik hinaus wiest.
Die Musik, die man mit dem MOOG machen kann, umfaßt so die Empfindungsmöglichkeiten des Menschen schlechthin, und so zeigt uns diese Maschine einen ungeheuerlichen Weg, sich selbst in seinen ganzen Möglichkeiten zu erfahren. So verstehen wir unsere Musik auch in er Vermittlung als bewußtseinserweiternde Musik.
Wenn wir an Melodie denken, dann erinnern wir uns, wie wir als Kinder gesungen haben: absichtslos, nur zum eigenen Glück. Irgendwann haben wir aufgehört, wie die Kinder zu singen. Heute holen wir das nach, wie Ungeheure.
Es interessiert uns wenig, in dem Synthesizer eine Reproduktionsmöglichkeit, uns bekannter Dinge zu sehen. Wir benutzen ihn, um das, was immer hinter diese Dingen steckt, auszudrücken. Wenn wir spielen, daß es so klingt wie eine Flöte, dann klingt die Landschaft, aus der diese Flöte kommt, mit. Der konkrete Ton befindet sich in einem Klangraum, der sich ständig ändert. Dadurch besteht ein gehörter Klang immer aus zwei Elementen, die sich zueinander verhalten, wie das Bewußtsein zum Unterbewußtsein, wie der Tag zur Nacht, wie der Grundton zur Dominante.
Wir sind in der Lage, Rhythmen an der Maschine zu entwickeln, die der Fallangst entsprechen. Wir sind selbstverständlich auf der Suche nach dem Klang, der die menschliche Sehnsucht schlechthin manifestiert. Die Vermittlung der absoluten Freiheit. Wir denken nicht daran, daß möglicherweise die Vermittlung von Glück nicht zulässig ist, denn das würde bedeuten, wir könnten keine Musik mehr machen.
Wir vermitteln eine Meditationsform in der Musik, die aus unserer Kultur kommt. Nicht aus der indischen und auch nicht aus irgendeinem anderen Kulturbereich. Der Name Popol Vuh sagt nicht, daß wir so denken würden, wie die Quiche-Indianer, dem Ursprung der Maya-Kulturen, sondern wir bewundern an dem Popol Vuh die Art und Wiese, wie das Buch entstanden ist: In einer Gigantischen Rückerinnering.
Das Buch Popol Vuh ist die Strukturbeschreibung des Denkens einens Volkes von dem Standpunkt aus, daß das Denken eines Volkes ein für allemal vernichtet wurde. Quasi der apokalyptische Standpunkt.
Das Abendland hat sich immer mit dem Leben beschäftigt. Im Gegensatz zu dem Denken anderer Kulturvölker, die sich vornehmlich mit dem Tod beschäftigt haben. Das Abendland hat den Tod in das Unterbewußtsein verdrängt. Wir begegnen ihm dort. Wir durchlaufen dieses Stadium, denn wir können nicht so tun, als wären wir Jogis. Und deshalb ist auf unserem LP-Cover auch ein See und keine Urmutter. Unser Cover weist auf das hin, was wir denken, nämlich die Symmetrie.
Wir zeigen einen oberbayerischen See und nicht einen tibetanischen Tümpel. Alles spielt sich vor unserem Augen ab, im Moment - in diesem Augenblick. Und so gehen wir einen Weg, wo unsere Fantasie unsere Realität wird.
Unsere Musik versucht dasselbe zu tun, sich rückzuerinnern. So hat sie mehr Bezug zu der Musik von Urvölkern, als zu der des Abendlandes, die die Tonalität benutzt hat, um einen bestimmten Spannungszustand auszudrücken, in dem das Verhältnis des Abendlandes zu sich selbst ausgedrückt wird. In einer gewissen Angst gegenüber dem Unbewußten. Wir versuchen ein neues Lebensgefühl zu vermitteln, in dem das traumatische Leben, der unbewußte Raum, bewußt gemacht wird. Das heißt vermutlich, daß die Entwicklung dieser Musik, die wir machen, nicht vorsehbar ist, aber gebunden bleibt an unseren Kulturraum. Bisher hat es im Abendland keine ausgesprochene, dem Denken des Abendlandes entsprechende, meditative Musik gegeben. Wir suchen diesen Weg. Wir befinden uns in einem Kreislauf: der Ton ist die Nachbildung einer Erfahrung. Die MOOG Maschine bietet die Perfektion des Tones schlechthin an. Wir gehen mit einer endlosen Summe an Erfahrung. Dadurch stellt die Maschine an uns die Herausforderung, diesen Weg zu gehen. Wir versuchen mit unserer Musik zu zeigen, wie eine bestimmte Form der Intensität beim Arbeiten zu erreichen ist und daß Elektronik nicht als ein technischer Vorgang spürbar wird, sondern sich als ein großes Feld an Empfindungsmöglichkeiten in Klängen manifestiert. So wollen wir zeigen, daß Technik in der Verbindung mit Fantasie eine neue Form wird, die der Elektronik gegenübersteht, denn nicht Elektronik wollen wir vermitteln, sondern die Summe an Erfahrungen, die in ihr enthalten ist. In Form des Mediums Ton. Wenn es hier um Farbe ginge, würde alles nicht so neu, so unverständlich klingen.
Wir befinden uns auf einer noch recht dionysischen Form zu leben. Wir vermitteln die Freude an dem was wir sehen. Wir machen es zu unserer Sache, wir drücken es in Musik aus. Somit hoffen wir, daß es immer Freude ist.
POPOL VUH
Florian Fricke,
Frank Fiedler,
Holger Trülzsch