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Source: Good Times, nr.160, 2019-06, p.52
Author: Michael Fuchs-Gamböck

Popol Vuh – Jenseits aller Stilrichtungen

Mag sein, dass für Musikkonsumenten unter 50 die Formation Popol Vuh kein Begriff mehr ist. Das ändert jedoch nichts an der historischen Bedeutung jenes außergewöhnlichen Projekts, für das seit jeher der Lindauer Florian Fricke als Mastermind stand.

Der 1944 geborene zog bereits als Teenager nach München, um dort an der Musikhochschule zu studieren. Und blieb der bayerischen Landeshauptstadt bis zu seinem frühen Tod mit nur 57 Jahre am 29.12.2001 treu. Der klassisch ausgebildete Komponist, Pianist und Dirigent Fricke stand seinem Projekt Popol Vuh bis zu seinem Ableben über 30 Jahre lang vor, bekannt geworden ist er einer breiteren Öffentlichkeit vor allem durch die Soundtracks zu Werner Herzog-Filmen wie “Aguirre, der Zorn Gottes”, “Nosferatu” oder “Fitzcaraldo”. Ach ja: In England, Frankreich, Italien oder den USA steckte man Popol Vuh gerne in die New-Age-Ecke in die seine Band nach Frickes Ansicht aber nicht gehörte. Für ihre einst nicht unbeträchtliche Anhängerschar passten Popol Vuh sowieso in keinerlei Stilschublade.

Fricke war neben dem Klassik-Rock-Veteranen Eberhard Schoener derjenige deutsche Musiker, der bereits anno 1969 “über einen Moog-synthesizer verfügte, auf dem er die ersten beiden Popol-Vuh-Alben AFFENSTUNDE und IN DEN GÄRTEN PHARAOS einspielte – noch heute gelten sie als sternstunden im Bereich experimenteller Elektronikmusik. Ab dann wandte der introvertierte Mann sich weitgehend von der Elektronik ab und seinem Sound zu, den man als frühen Ambient bezeichnen kann.

Die fünf vermutlich wichtigsten Popol-Vuh-Alben (AFFENSTUNDE, HOSIANNA MANTRA, EINSJÄGER & SIEBENJÄGER, AGUIRRE, NOSFERATU) sind gerade als Einzel-CDs  wie in einer opulenten Vinylbox unter dem Titel THE ESSENTIAL ALBUM COLLECTION VOL.1 digital remastert neu erschienen. Und weil “Vol.1” auf dem Cover zu lesen ist, bleibt zu hoffen, dass auch die weitern knapp zwei Dutzend Alben des Ausnahmeprojekts bald ihren Weg zurück in die Öffentlichkeit finden und dadurch speziell eine interessierte junge Generation erreichen.

Frank Fiedler ist Musiker, Produzent, Regisseur und kameramann. Der 74-jährige Kieler hat Fricke in seiner Jahrzehntelangen Wahlheimat München, wo er bis heute zu hause ist, bereits Ende der 60er Jahre kennen- und schätzen gelernt. Der gemütliche Norddeutsche zeichne zusammen mit dem Produzenten Guido Hieronymus verantwortlich für die Wiederveröffentlichungen. Deshalb ein entspanntes Gespräch in Fiedlers Wohnung, gelegen in Münchner Stadtteil Schwabing, unweit des Englischen Gartens.

Wie kam er zu den Wiederveröfftenlichungen?

Florians Sohn Johannes stand Ende 2017 bei mir in der Tür, einen Vertrag in der Hand. Er wollte, dass ich, als enger Begleiter seines Vaters, die alten sachen sensibel bearbeitete. Das habe ich mit Guido getan. Sehr gerne verständlich.

Welche Rolle spielst du im Popol-Vuh-Kosmos?

Ich bin der große Archivar, wenn man so will.  Außerdem waren Florian und ich enge Freunde, wobei wir durchaus auch mal Streit hatten. Wie das bei wahren Freunden üblich ist. Wir teilten eine Menge kreativer Ideen, waren im ständigen Austausch. Florian und ich wussten, wie der andere in künstlerischer Hinsicht tickt.

Wann wurden Florian und du Freunde?

Robert Moog, Erbauer des Moog Synthesizers, kam 1969 nach Deutchland, um Florian in die Bedienung seines Instruments einzuweisen. Doch Florian war nie ein großer Technikfreak. Durch eine gemeinsame Freundin kam ich ins Spiel. Ich liebe Technologie! Fortan haben wir beide uns die Nächte um die Ohren gehauen, damit wir dieses neuartige, völlig irre Gerät in den Griff bekommen und ihm schöne Musik entlocken.

Wie ging es weiter zwischen euch?

Die ersten beiden Alben haben wir komplett im Alleingang ersonnen und mit einigen Musikerkumpels aufgenommen. Danach hat sich Florian weitgehend von der Elektronik abgewandt. Ich wiederum habe mich verstärkt um Filmeprojekte gekümmert. Aber wir blieben bis zu Florians Tod beständig in Kontakt. Ich war an jeder neuen Produktion in irgendeiner Form beteiligt.

Warum hat sich Florian deiner Anischt nach schon bald von elektronischen Sounds verabscheidet?

Er fand die Klänge, die mit dem Moog erzeugt werden konnten, zwar äußerst spannend. Aber auf Dauer war ihm das zu seelenlos. Folgerichtig hat er sich eine ‘natürliche’ Instrumentierung zurückbesonnen, schließlich war er studierter Musiker. Und er war großer Mozart-Fan. Das wollte er die Welt durch eigene Musik wissen lassen.

Wird er weitergehen mit der Popol Vuh-Wiederveröffentlichungswelle?

Sieht gut aus! Bereits im Herbst soll die nächste Box erscheinen, im Frühjahr eine weitere. BMG glaubt fest daran, dassdieser Sound eine Menge alter  wie neuer Hörer finden wird. Das glaube ich übrigens auch. Es würdem ich sehr freuen.