Source: Rock in Deutsland, Taurus Press, 1979, p.205-207
Author: Günther Ehnert
Popol Vuh
Florian Fricke, Keyboards (23. 2. 1944, Lindau)
Djong Yun, Gesang
Daniel Fichelscher, Gitarre
Al Gromer Khan, Sitar
Ted de Jong, Tamboura
Unter ‘Popol Vuh’ (nach dem heiligen Buch der Quiche-Indianer) fanden sich im Frühjahr 1969 Florian Fricke, Frank Fiedler (Synthesizer) und Holger Trülzsch zusammen, denn es galt, ‘einer Aufforderung der Firma Liberty, eine LP zu produzieren’ (Fricke), nachzukommen.
Florian Fricke, Kopf, Initiator und Sprachrohr der Gruppe, studierte an der Freiburger Musikhochschule Klavier und Komposition, arbeitete danach als Musikkritiker und Kurzfilmer und geriet durch Eberhard Schoener, den Leiter der Münchner Kammeroper, in den Bannkreis des Synthesizers.
1970 produzierte das Trio auf ‘Affenstunde’ eine ‘mystische Reise durch eine gurgelnd-fließende, fremdartige Tonwelt’ (P0P), trat im ‘Beatclub’ und dem Film ‘Pop in Deutschland’ auf und fand nach Frickes Meinung bei ihren Zuhörern gute Resonanz, weil ‘es die Leute schätzen, daß wir etwas Eigenes, Neues bringen; daß wir alle Klischees von uns werfen; daß wir in uns etwas suchen und es so bringen, daß es nicht häßlich klingt». Florian Fricke, nach eigenen Angaben früher Marxist, kam durch den Synthesizer «(Die Musik, die man mit dem Moog machen kann, umfaßt schlechthin die Empfindungsmöglichkeiten des Menschen’) und physikalische Schwingungslehre zur Religion. Unter dieser geistigen Ausrichtung entstand ‘In den Gärten Pharaos’, die zweite Langspielplatte der Gruppe. Darauf ist ‘irgendwie eine sakrale, ergriffene Musik’ (Fricke) zu hören.
Danach wandte sich Florian Fricke von der Elektronik ab (‘im Zusammenhang mit christlich-religiöser Musik möchte ich den Synthesizer nicht verwenden’) und formierte auch Popol Vuh neu: Für Holger Trülzsch und Frank Fiedler musizierten nun Conny Veit (Gitarre), Robert Eliscu (Oboe), Klaus Wiese (Tamboura) und die koreanische Sängerin Djong Yun. Auf ‘Hosianna Mantra’, der Folgeplatte mit den Titeln ‘Kyrie’, ‘Segnung’ und ‘Andacht’, wollte Florian Fricke zum Ausdruck bringen, daß ‘Gott hier unten ist, in unserem Tun, Sprechen und Fühlen’. Immerhin gelang Popol Vuh ‘eine der schönsten ergreifendsten Platten überhaupt’ (MUSIK EXPRESS).
Da Popol Vuh nur noch als Studio-Gruppe in Erscheinung trat, widmeten sich die Mitglieder weiteren Objekten, so Conny Veit seiner eigenen Band (Gila) und Robert Eliscu der Formation Between. Mit Daniel Fichelscher, dem früheren Amon Düül II-Schlagzeuger, entstand in der Baumburger Stiftskirche das vierte Popol-Vuh Album. Jenseits überkommener Religions- und Kirchentradition suchte Florian Fricke ‘einen Weg, Archaische Weisheit faszinierend zu vermitteln’, und spielte mit seinen vier Mitmusikern (ohne Djong Yun) Texte aus dem ersten Teil der Bergpredigten ein. Florian Fricke komponierte zudem Filmmelodien, u.a. für den Werner Herzog-Streifen ‘Aguirre der Zorn Gottes’, dessen Filmmusik 1975 (nur in Italien und Frankreich) als Platte erschien.
Anfang 1974 nahm das Trio Fricke/Fichelscher/Yun die Langspielplatte ‘Einsjäger & Siebenjäger’ auf. Dafür verwendete Florian Fricke Texte des israelitischen Königs Salomo (965-926 V. Chr.). Kritiker des italienischen Musikmagazins MUZAK kürten das Album zur ‘Schallplatte des Jahres’.
Im Februar 1975 entstand unter dem Titel ‘Das Hohelied Salomons’ eine weitere Reminiszenz an den vorchristlichen Psalmendichter und Weisheitslehrer mit meditativer Rockmusik und einer excellent gestalteten Plattenhülle. Frickes verträumt-andächtige KIangmalereien, bisweilen auch als Lyrik-Rock bezeichnet, bestimmen auch das 1976 entstandene Album ‘Letzte Tage — Letzte Nächte’.
Für den ebenso merkwürdigen wie faszinierenden Werner Herzog-Streifen ‘Herz aus Glas’ schrieb Florian Fricke die Filmmusik. ‘Das ist Musik’, kommentierte der NEW MUSICAL EXPRESS, ‘die den tiefen Glauben des Künstlers erkennen läßt. Bunte Glas-Musik: andächtig, reflektierend, durchsichtig und zeitlos’. Danach holte sich Florian Fricke neue Inspirationen bei den Kurden am Euphrat und im östlichen Himalaya und studierte tibetanischen Gemeinschaftsgesang.
Mit seiner LP ‘Brüder des Schatten-Söhne des Lichts’ (die LP ‘On The Way To A Little Way’ erschien nur bei Barclay in Frankreich) entfernte sich Popol Vuh musikalisch noch weiter vom Allgemeinbegriff Rockmusik. Fricke, der Mitglied der Atemtherapeutischen Gemeinschaft ist und 1978 die ‘Arbeitsgemeinschaft für schöpferischen Gesang’ gründete, erklärte zu seinem jüngsten Werk, das für den Herzog-Film ‘Nosferatu’ Verwendung fand: ‘Der Weg zum Schöpferischen ist wie der Weg zu einem kleinen Weg. Er beginnt ohne Absicht, absichtslos beginnt er, doch es entsteht ein Ziel. Ich sage Ja und nähere mich dem Ziel. Ich bin es, der geht. Dies ist meine Mitarbeit, die feurige Hinwendung.’