Source: Sounds, 1972-05
Author: Norbert Odorinsky
In den Gärten Pharaos
Ab und zu tauchen Platten auf, die die Funktion des Rezensenten erheblich in Frage stellen. Zu diesen Platten gehört die neue Popol Vuh-Produktion. Ich käme mich lächerlich vor, den Kauf dieser Platte zu empfehlen oder gar abzulehnen, weil die Musik so für sich selber spricht, daß sie sich einfach jeder selber anhören muß.
Dazu kann ich allerdings wirklich jedem Plattenkäufer nur raten. Wie schon mit ihrer ersten LP ‚Affenstunde‘ tauchen Popol Vuh wieder mit etwas so Ungewöhnliches auf, daß man allein schon aus diesem Grund nicht an ihren Musik vorbeikommt. Mir liegt momentan nur die Anpressung dieser Platte vor, eine Muster-Platte ohne Cover. Aber ich möchte doch einige Dinge sagen, die mir erwähnenswert erscheinen.
„Popol Vuh ist eine Gruppe von Menschen, die Musik macht, keine Musikgruppe“, sagt die Gruppe über sich selbst. Ihre Ausdrückmittel sind ein gewaltiger Moog-Synthesizer und diverse Perkussionsinstrumente hauptsächlich Bongos. Wie man vermuten muß, hat auch ihre Musik wenig mit Rock/Pop oder ein sonstiger Kategorie zu tun. Ihre Einstellung ist so individuell, daß man sie sogar aus zeitgenössischer Elektronischer Musik herauslösen kann. Doch ich möchte nicht weiter auf rein technische Aspekte ihrer Musik eingehen, da man ihre Musik in erster Linie mit Körper und Geist erfahren muß: diese langgezogenen Klangflächen, Ströme und Bänder in unendlicher Ausgedehntheit, feinste Tonschattierungen von hell bis dunkel, ein Schweben und Gleiten ‚in den Gärten Pharaos‘, dem Stück das die ganze erste Seite einnimmt.
Im Gegensatz zu dieser Seite ist ‚Vuh‘ auf der anderen Seite in einer Kirche aufgenommen. In die Stiftskirche Baumburg hat Florian Fricke seinem Synthesizer genommen und eine wirklich ausdrucksvolle Musik geschaffen: vom der Kirchenorgel hört man ausschließlich langangehaltene Töne, unterstützt von Synthesizer und aufzischenden Becken. Der Synthesizer hört sich stellenweise an wie ein entfernt singender, sakraler Chor, und das Ganze ist wirklich beeindruckend.
Auf dieser Platte sind Stellen, die einem aus der täglichen akustischen Umgebung her bekannt vorkommen. Doch viel mehr und viel besser als ich das kann, beschreibt Popol Vuh ihre Musik selber im dem wirklich lesenswerten ‚Selbstbildnis einer Gruppe’ das letztes Jahr in der Januarnummer von Sounds erschien.